augenschmaus vs datengraus
Tipps, wie Zahlen zu Grafiken werden … und wie nicht.
Wie sieht eine gute Visualisierung von Daten aus?
Neulich stießen wir auf einen interessanten Artikel zu diesem Thema. Die Frage nach dem Kompromiss zwischen Genauigkeit und Ästhetik in der Datendarstellung ist dabei einen genaueren Blick wert. Welche Art der Visualisierung die Beste ist, hängt zunächst davon ab, welche Daten zur Verfügung stehen und welche Informationen vermittelt werden sollen. Die Debatte über visuelle Attraktivität versus präzise Information in der Präsentation von Daten ist nicht neu. Das Tortendiagramm zum Beispiel polarisiert schon lange Kritiker und Befürworter. Sein Vorteil: Es ist optisch ansprechend und eignet sich gut, um Werte grob zu vergleichen. Zugleich geraten Tortendiagramme in Verruf, weil sie sehr schnell ihren Informationswert verlieren können, wenn sie – wie oft zu beobachten – exzessiv zum Einsatz kommen.
Daten sehen und verstehen
Zur Veranschaulichung dieses Dilemmas zwei Grafiken mit fiktiven Daten. Beide Diagramme zeigen die Lieblingsfächer der South Park Schüler. Gleich auf den ersten Blick verraten uns die Tortenstücke, dass Chemie, Biologie und Englisch beliebter sind als die übrigen Fächer. Aber wie viel beliebter? Das ist schon schwieriger zu sagen, ohne die dahinterliegenden Zahlen zu betrachten. An der Größe der Abschnitte ist auch nicht klar erkennbar, ob die Schüler zum Beispiel Physik stärker favorisieren als Mathematik oder ob der Unterschied zwischen Französisch und Mathematik größer ist als derjenige zwischen Musik und Geographie. In einem Balkendiagramm sieht man diese Details hingegen sofort, ohne die Zahlen unter die Lupe nehmen zu müssen: Mathematik ist beliebter als Physik, Französisch und Mathematik schneiden ähnlicher ab als Musik und Geographie. Das Fazit: Je mehr Daten es gibt, desto weniger Erkenntnisse liefert das Tortendiagramm. Oder als Faustregel: Je bunter ein Tortendiagramm, desto weniger informativ ist es.
Lieblingsfach der Schüler in %
Der Grund dafür ist, dass das menschliche Auge Länge und Höhe besser erfassen kann als Fläche oder Winkel.[1][2] Balken- oder auch Säulendiagramme lassen selbst kleine Längen bzw. Höhenunterschiede deutlich erkennen. Zwar wirken sie oft monoton, ermöglichen aber eine klarere Gegenüberstellung der Daten und sind tendenziell zuverlässiger in der Abbildung feiner Unterschiede. Manchmal sind diese winzigen Details aber gar nicht relevant für die Botschaft, die es zu kommunizieren gilt. Wenn ein grober Vergleich ausreicht, um die Geschichte zu erzählen, dann ist die Tortenvariante das Mittel der Wahl.
[1] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0020737386800190,
[2] https://eagereyes.org/blog/2016/an-illustrated-tour-of-the-pie-chart-study-results
(No) piece of cake
Falsch eingesetzt können Tortendiagramme die Wahrnehmung aber auch in die Irre führen. Die folgenden Abbildungen zeigen zum Beispiel, wie viele Schüler unterschiedlicher Schulen bereits an Fremdsprachenunterricht teilnehmen. Das Tortendiagramm erweckt nun den Anschein, als würde unter den South Park Schülern etwa ein Viertel der Kinder eine Fremdsprache lernen. Erst der Blick auf die Prozentangaben offenbart: Es sind in Wirklichkeit fast drei Viertel! Das Visualisierungsproblem: Die Torte bildet in diesem Fall nicht den Anteil der Schüler mit Fremdsprachenunterricht ab, sondern das Verhältnis dieser Anzahl an Schülern zwischen allen Schulen.
Anteil der Schüler mit Fremdsprachenunterricht in %
Solche Fehler passieren, wenn Analysten oder Grafiker nicht darauf achten, welche Aussage sie visualisieren möchten und welche Form die richtige dafür ist. Tortendiagramme eignen sich nur, um Teile eines Ganzen abzubilden oder um Gruppen zu vergleichen, die sich gegenseitig ausschließen. Umfragen, bei denen die Befragten mehr als eine Antwort auswählen können, sollten nicht in einem Tortendiagramm dargestellt werden. Mit anderen Worten: Wenn die Daten keine Prozentzahlen enthalten, die sich zu einhundert addieren, sollte man die Torte vermeiden. Ein Balken- oder Säulendiagramm führt nicht zu solchen Fehlinterpretationen, im Zweifelsfall liegt man damit also nie falsch.
Besser auf Tortendiät?
Das bedeutet aber nicht, dass wir Tortendiagramme niemals verwenden sollten. Bei weniger als drei Vergleichsgruppen können sie sehr informativ sein, während Balkendiagramme redundant erscheinen. Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass bei zwei Kategorien Tortengrafiken die Balkendarstellung in Bezug auf die Genauigkeit der wahrgenommenen Werte übertreffen.[3] Das klassische Beispiel dafür sind Statistiken, die Merkmale mit nur zwei Ausprägungen abbilden. Bei nur zwei Vergleichsgruppen werden Informationen in einem Tortendiagramm prägnanter zusammengefasst.
[3] https://eagereyes.org/blog/2016/a-reanalysis-of-a-study-about-square-pie-charts-from-2009
Anteil der Schüler mit Fremdsprachenunterricht in %
Die gute Nachricht
Jeder Datensatz aus vielen Gruppen lässt sich dennoch vereinfachen und in einem Tortendiagramm darstellen. Das geschieht in erster Linie, um gezielt Informationen hervorzuheben, die man kommunizieren möchte. Die Vereinfachung hängt daher stark von der Botschaft ab.
Wenn der Fokus bei der Betrachtung des Lieblingsfachs der South Park Schüler z.B. auf dem Vergleich von Natur- und Sozialwissenschaften liegt, ermöglicht eine Gruppierung der Fächer in diese beiden Hauptgruppen eine gute Visualisierung in einem Tortendiagramm. Beim Ziel, z.B. Mathematik mit allen anderen Fächern zu vergleichen, ließen die Gruppen gut in Mathematik und Nichtmathematik einteilen.
Lieblingsfach der Schüler in %
Datenbasis + Zweck = Darstellungsform
Die Wahl zwischen Balken-, Säulen- und Tortendiagramm (oder einer ganz anderen Form der Visualisierung) hängt damit letztlich vor allem von zwei Fragen ab:
1.) Wie sind die Daten strukturiert?
2.) Was soll die Visualisierung aussagen?
Wer diese Leitlinien im Hinterkopf behält, wird die richtige Art der Darstellung zielsicher ermitteln. Ein Lesetipp zum Schluss: Für Best Practices zu gelungenem Data Storytelling empfehlen wir einen Blick in die Economist Kolumne „Graphic Detail“.